Apothekenrecht: Werbeverbot und Boni im Apothekenrecht

Preisbindung und Wettbewerbsrecht

Der Kern des Konflikts liegt in der Arzneimittelpreisbindung in Deutschland.

  • Grundsatz für Vor-Ort-Apotheken: Deutsche Präsenzapotheken sind gesetzlich verpflichtet, verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rx-Arzneimittel) zu einem einheitlichen Abgabepreis zu verkaufen. Die Gewährung von Rabatten, Boni, Gutscheinen oder anderen geldwerten Vorteilen beim Verkauf rezeptpflichtiger Medikamente ist ihnen grundsätzlich verboten (§ 78 AMG a.F. bzw. heute § 129 SGB V in Bezug auf GKV-Leistungen).
  • Ziel: Dieses Verbot soll einen ruinösen Preiswettbewerb verhindern und die flächendeckende, gleichmäßige und sichere Versorgung der Bevölkerung (insbesondere mit qualifizierter Beratung) gewährleisten.

Der Konflikt: EU-Versandapotheken und die Warenverkehrsfreiheit

Dieser Grundsatz gerät mit dem Europarecht in Konflikt:

  • Das EuGH-Urteil von 2016 (DocMorris): Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied, dass die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel gegen die EU-Warenverkehrsfreiheit verstößt. Das Urteil besagte, dass die Preisbindung nicht für ausländische Versandapotheken gelte, da diese durch die deutsche Preisbindung daran gehindert würden, Kunden in Deutschland über niedrigere Preise zu gewinnen.
  • Folge: Ausländische EU-Versandapotheken dürfen seitdem unter bestimmten Bedingungen Boni oder Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren – ein Vorteil, den die deutschen Vor-Ort-Apotheken nicht haben.

Die Reaktion des deutschen Gesetzgebers: Das Boni-Verbot im SGB V (2020)

Als Reaktion auf das EuGH-Urteil hat der deutsche Gesetzgeber versucht, die Preisbindung rechtlich neu zu verankern.

  • Einführung des Verbots im Sozialgesetzbuch V (SGB V): Mit dem sogenannten Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) wurde ein Rx-Boni-Verbot in § 129 Abs. 3 S. 3 SGB V verankert.
  • Aktuelle Geltung: Dieses Verbot richtet sich an alle, die Leistungen zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbringen. Es ist damit eine sozialrechtliche und keine rein wettbewerbsrechtliche Regelung mehr.
    • Konsequenz: Damit gilt das Verbot grundsätzlich auch für EU-Versandapotheken, jedoch nur bei der Abgabe von Arzneimitteln auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Patienten).
    • Ausnahme: Bei Privatversicherten und Selbstzahlern gilt das sozialrechtliche Boni-Verbot in der Regel nicht.

Die fortlaufenden juristischen Auseinandersetzungen (BGH-Urteile)

Trotz der Neuregelung bleibt die Rechtslage dynamisch und unklar, da sich Gerichte immer wieder mit konkreten Werbeformen auseinandersetzen:

  • Jüngste BGH-Urteile (Juli 2025): Jüngste Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) haben sich mit alten Fällen aus der Zeit vor 2020 befasst. Der BGH hat hier die Auffassung des EuGH bestätigt, dass die damalige arzneimittelrechtliche Preisbindung für EU-Versender nicht anwendbar war.
  • Kritik und Unsicherheit: Die Urteile lösten bei Vor-Ort-Apotheken Verunsicherung aus, da die Versandapotheken diese Urteile nutzten, um neue Bonusaktionen (teils für Privatpatienten) zu starten.
  • HWG-Verstoß (Heilmittelwerberecht): Unabhängig von der Preisbindung kann jede Art von Bonus oder Gutschein auch gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstoßen. Dieses Gesetz soll verhindern, dass Verbraucher unsachlich in ihrer Entscheidung über die Inanspruchnahme von Heilmitteln beeinflusst werden. Gerichte haben Werbegaben, selbst geringen Werts (wie Gutscheine für Bäcker), als unzulässig bewertet, wenn sie an die Einlösung eines Rezepts gebunden waren.

Fazit

Das Werbeverbot und die Boni-Problematik schaffen weiterhin einen Zwei-Klassen-Markt in Deutschland:

  1. Vor-Ort-Apotheken: Streng an die Preisbindung gebunden, dürfen keine Boni auf Rx-Arzneimittel gewähren.
  2. EU-Versandapotheken: Dürfen Boni bei Privatversicherten und Selbstzahlern gewähren und versuchen, die rechtlichen Grauzonen bei GKV-Patienten auszunutzen.

Die deutschen Apothekerverbände drängen die Politik weiterhin darauf, das Rx-Boni-Verbot rechtlich so wasserdicht zu machen, dass es auch europarechtlich einer Überprüfung standhält.